Wie ich an eine "Problemhündin" kam

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29 Apr 2020 13:02 #5237 von Martin
Martin antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Hallo Sivia,
deine Einschätzung ist anhand der Infos sehr gut. :)
Du wirst sicher zugeben, dass man gerade einen HSH leider nicht nur anhand einer Beschreibung lesen kann - man muss das Tier sehen, die Haltung von Kopf, Schwanz usw, und was sagen die Augen. Daraus könnte man ein eigenes Thema machen.

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29 Apr 2020 13:16 #5238 von Martin
Martin antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Hallo Ilse,
Danke, aber ich bin kein guter Schreiberling.
Was der Besitzer, ich nenne ihn extra so, falsch gemacht hat möchte ich später behandeln. Besitzer weil man einen HSH nicht besitzt sondern mit ihm zusammen lebt und jeder einen gewissen Entscheidungsfreiraum haben muss. Ich glaube es ist besser erst die Entwicklung von Tira weiter zu beschreiben. Du und die anderen werden vielleicht vorher nach und nach eine Meinung dazu haben. Ich mag Diskussionen dazu und eventuell bringt es zukünftigen Herrchen oder Frauchen was.
Auf die Themen Kinder, andere Personen im Haus, Besuch, Entscheidungsfreiraum... komme ich in den weiteren Berichten..

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29 Apr 2020 18:09 #5239 von Karin
Karin antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Endlich ist wieder etwas los und Martins Bericht ist sehr interessant und lesenswert

Karin

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29 Apr 2020 19:08 #5240 von Martin
Martin antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Danke Karin :)

Ich führe meinen Bericht weiter.

Als ich aus dem Schlafzimmer kam lag Tira auf ihrer Decke. „Guten Morgen Tira“ sie stand auf und begrüßte mich. Zusammen gingen wir in die Küche ohne das ich sie auffordern musste – mein Schatten. Sie bekam Frühstück und ich einen Espresso, den ich draußen mit einer Zigarette wie jeden Morgen genießen wollte. Tür auf und bevor ich einen Schritt machen konnte war ihr Fressen egal und sie stand neben mir um mir zu folgen. Wir zusammen raus in den Innenhof, die anderen Hunde waren bereits draußen zum austreten usw. aber sie wich mir nicht von der Seite. Also bin ich mit ihr in den Garten zum Sandloch (so nennen wir die Hundetoilette) dort erleichterte sie sich und sei folgte mir ins Haus.
Dort angekommen stand das Frühstück auf dem Tisch (wir Essen wenn es geht immer zusammen) Tira futterte ihren Napf leer und ich gab ihr danach noch ein Stück Ciabatta, denn anderen anwesenden Hunden natürlich auch.
HSH sind wie ihr wisst beim Futter sehr genügsam was in ihren Genen seit Ewigkeiten verankert ist. Eine Kraftnahrung brauchen sie nicht, denn sie haben gelernt mit ihren Kräften zu haushalten. Das mussten sie früher bei der kargen Ernährung auch und es entspricht ihrer Art. Sie bekommen bei mir genug zu fressen keine Angst.

Nach dem Frühstück gehe ich ins Büro und die Hundedame natürlich hinterher. Sie legte sich neben meinen Bürosessel und gut. Ich hatte an dem morgen aber noch einen Termin mit einem Lieferanten und musste los. Tira hinterher „Ich kann dich nicht mitnehmen und komme bald wieder“ Sie schaute mich traurig fast panisch an. Da wusste ich es gibt ein Problem.
Half nichts ich musste los. Tira an die Leine damit ich das Hoftor öffnen konnte. Meine Frau die Leine in die Hand gedrückt, Tira gestreichelt und erklärt ich komme wieder und ins Auto.
Im Rückspiegel sah ich wie meine Frau die Leine kräftig festhalten musste damit sie nicht hinterherläuft. Hoftor zufahren lassen.

2 Stunden später ich war auf dem Rückweg telefonierte ich mit meiner Frau „Ich mache noch einen kleinen Umweg und kaufe ein.“ Antwort: „Komm nach Hause Tira lässt sich seit du gefahren bist nicht vom Tor wegbewegen. und winselt“

Vor dem Tor bin ich ausgestiegen und habe den Öffner gedrückt. Tira quetsche sich sofort durch die kleine Lücke, denn sie konnte es nicht abwarten mich zu begrüßen. So eine Freude habe ich bei einem HSH vorher noch nicht gesehen und hatte alle Mühe auf den Beinen zubleiben. 45 kg stürmische Hundedame muss man erst einmal abfedern um nicht auf dem Boden zu landen. Es war einfach schön :)
Im Haus angekommen meckerte meine Frau, weil mein neues Jackett einen Riss am Ärmel hatte – na ja ein bisschen Schwund ist immer. Sie erzählte mir „Tira lies sich von niemandem vom Tor bewegen, nicht von ihr, nicht mit Hilfe unserer kleinen Tochter und auch unsere gute Fee im Haus Maria hatte keine Chance. Da war mir klar ein Problem zu haben. Hilft nichts sie muss es lernen.

Am nächsten Morgen gleiches Spiel ich musste zu einem Termin und Tira rückte keinen Millimeter vom Tor und weinte.

Am dritten Tag habe ich sie einfach mitgenommen.

Sie hat es mittlerweile gelernt und ich kann fahren, aber ich werde am Tor verabschiedet und sobald sie das Auto aus der Ferne hört rennt sie zum Tor und begrüßt mich.

Tira ist extrem auf mich fixiert, aber sie hat gelernt, dass sie nicht überall mit kann. Sie hört auf alle Personen im Haushalt, worauf ich sehr großen Wert lege, aber wenn ich ihr sage bleib sitzen dann können alle rufen und machen und mit den besten Leckereien locken – Tira bleibt sitzen. Wenn meine Frau ihr das sagt befolgt sie es auch und sie bleibt sitzen nur wenn ich sie rufe interessiert die Anweisung meiner Frau sie nicht mehr.
Da ich es weis nutze ich das nicht aus und untergrabe die Weisungen meiner Frau nicht – ist wie bei den Kindern. ;)

Dann kam erste Sonntag. Da mache ich immer eine Spazierfahrt meistens mit beiden Kindern und zwischendurch landen wir im Café für eine kleine Stärkung. Tira natürlich „Ich will mit“ ok dann nehmen wir das andere Auto mit der großen Hundebox und los. Sie hatte sich bei unserem ersten gemeinsamen Termin sehr gut benommen und so habe ich es zusammen mit den beiden Kindern 4 und 6 gewagt.

Auf dem Spielplatz saß sie brav an der Leine neben mir keine 10m von den Kindern entfernt. Sie hatte sofort den Schutzmodus auf On und beobachtete meine und auch die anderen Kinder. Typisch HSH und dafür sind sie da. Mütter mit Kindern sowie Väter kamen und gingen. Sie hatte alles im Griff und ich die Leine trotzdem fest in der Hand. Dann kam ein Vater ohne Kind und holte seine Tochter von der Rutsche. Tira stand auf und knurrte „Das passt nicht!“ Ich hatte das Kind zwar auch gesehen, aber wusste nicht wo es zugehört. Tira wusste es und als die Mutter dazu kam legte sie sich wieder hin. Ich lobte sie was sie sichtlich freute.
Später sind wir ins Café wo Tira sich brav hinlegte und natürlich wieder alles unter Beobachtung hatte.
Auf dem Parkplatz dann die erste Begegnung mit einem auch mir fremden Hund. Der sah uns und machte Rabats Tira schaute und merkte das ich keine Gefahr darin sah und ganz ruhig blieb. Genau so blieb sie daraufhin auch. Ich habe noch nie einen HSH oder andere Hunderasse erlebt, der nach so kurzer Zeit ein fast blindes Verständnis gezeigt hat.
Aber Tira hat noch so einiges auf Lager. :)

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01 Mai 2020 21:29 #5242 von Martin
Martin antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Heute ist Feiertag und da habe ich Zeit den Bericht weiter zu schreiben.

Tira ist nun über 3 Monate bei uns und hat sich super eingelebt.
Sie sie hat verstanden, dass sie nicht ständig an meiner Seite sein kann und akzeptiert es wenn ich ohne sie das Grundstück verlasse. Auf dem Grundstück stehe ich immer unter Beobachtung, aber das ist ok.

Mit den Kindern gab es überhaupt keine Probleme. Tira sieht sie als Teil ihrer zu beschützenden Herde an und hält ein Auge auf sie vor allem am Pool werden die Kinder ab einer Entfernung von ca. 2 m abgedrängt – hat sie von den anderen HSH übernommen und auch sonst fast alles an Regeln in unserer Gemeinschaft ohne unser Zutun gelernt. Ich vertraue ihr so wie sie mir vertraut und es bestehen keine Bedenken Tira mit den Kindern alleine zu lassen d.h. ganz alleine ohne die anderen HSH ist fast unmöglich.

Besuch war ein Problem und wird es bleiben. Sie sieht alle Fremden, die nicht hier wohnen als potenzielle Gefahr an und fährt den Abwehrschirm hoch. Niemand darf dann von sich aus näher als ca. 4 m an uns heran. Bis dahin ist alles gut unter diesem Abstand stellt sie sich sofort schützend vor uns und droht was das Zeug hergibt. Kein schöner Anblick wie ihr sicher wisst und bei jemandem der nicht weis wie er dann reagieren muss ist die Hose voll. ;)
Aber das habe ich mittlerweile auch im Griff und sobald ich oder jemand anders aus dem Haus den Besuch begrüßt und auf ihn zugeht hat Tira kapiert, dass sie nichts machen braucht. Das gilt aber nur für die Zeit bis der Besuch sich verabschiedet hat. Selbst wenn die Person eine Stunde später zurückkommt muss Tira gezeigt werden, dass wir keinen Schutz brauchen. Danach lässt sie sich sogar von Fremden streicheln. Zwischen mir und der Hundedame geht es sogar anders nur durch Blickkontakt weis sie wie sie handeln muss. Sie spürt dabei meine Ruhe und sieht es am Blick.

Genauso funktioniert es wenn ich sie an der Leine habe und uns Menschen mit und ohne Hunde begegnen. Tira spürt es über die Leine ob ich angespannt bin oder nicht, dementsprechend verhält sie sich. Ich entspannt = Tira entspannt. Ich angespannt = Tira angespannt und Schutzmodus ON.

Sie ist eine ganz tolle Hundedame und wir haben mir ihr einen Glücksgriff getätigt. Ich habe keine Schwierigkeiten und sie hört auf jeden Befehl, was für einen HSH in der Art eine Sonderform ist, aber ich weis sie macht es aus einer Mischung aus Dankbarkeit für ihr neues Leben und dem Wunsch dadurch für immer hierbleiben zu dürfen. Das darf sie ganz sicher, die gebe ich nicht wieder her. :) Selbst bei der Erziehung von den 2 jungen Rackern mit gut einem halben Jahr hilft sie und zeigt den Beiden den Weg.

Im Rudel zeigt sie keine Ambitionen einen bestimmten Rang einzunehmen, obwohl es für sie leicht wäre unseren 14 Jahre alten Schäferhund Dino die Führungsrolle abzunehmen. Sie weis aber vermutlich warum Dino die Position inne hat und von den anderen, wie Thor Maremme 60 kg, unterstützt wird. Tira hat Nachts ihre Aufgabe angenommen im Haus den Bereich vor den Schlafzimmern zusammen mit Kimba, Balu und Apolo zu sichern. Alle 4 können auch jederzeit nach draußen, aber das passiert Nachts nie zusammen wenigstens 2 bleiben immer vor den Schlafzimmern.
Vor 3 Wochen gaben die Hunde im Garten Alarm und ich aus dem Bett Hose an. Vor der Schlafzimmer Tür erwartete mich Tira, die nicht blind nach draußen gerannt war. Die anderen 3 waren auch auf ihrem Platz und ich sagte den Dreien ihr bleibt hier. Tira war klar kam als Personenschützerin mit und wisch nicht von meiner Seite. Ich spürte richtig wie ernst sie den Job nahm und bin sicher sie hätte ihr Leben für meine Sicherheit riskiert. Draußen ein Teil der Hunde an der Mauer und 2 mit einigen Metern Abstand dahinter und 2 Maremmen sicherten den ganzen Bereich beobachtend nach allen Seiten ab. Das wurde ihnen nicht beigebracht sondern so Entscheiden sie ganz alleine wie sie ihre Aufgabe erfüllen. Dino präsentierte mir dann freudig ein Stück Stoff vermutlich von einer Jeans.
Da hatte wohl ein Dümmling versucht über die Mauer zu klettern und Glück gehabt nur ein Stück Hose einbüßen zu müssen. :D
Hunde gelobt und wieder ins Bett. :)

Tira ist nie ein Problemhund gewesen, das Problem war wie zu 99% der Besitzer. Sie hatte keine Aufgabe und saß den Tag über in einen 6 m² Zwinger schlimmer kann man einen HSH wohl kaum behandeln. So ein intelligentes Tier braucht eine Aufgabe die sie gerne Macht und man muss sie entscheiden lassen wie sie diese Aufgabe erfüllt, dass macht nicht nur das Tier sondern auch den Menschen froh.
Ich mache bestimmt bei den Hunden nicht alles richtig und ich lernen immer wieder was dazu, aber das sehen die HSH gar nicht als so schlimm an wenn man ihre Zeichen versteht und den Fehler nicht mehrmals macht. Es ist nicht einfach all ihre Zeichen zu deuten und ich kann das auch nicht. Es reicht wenn sie spüren man bemüht sich. Ohne dieses gegenseitige Verständnis wird ein HSH nie sein Herrchen oder Frauchen würdig erachten und als Alpha akzeptieren. Wenn diese Entscheidung getroffen wurde gilt sie für immer genauso wie eine Abneigung, wie die von Tira zu ihrem Besitzer, nie zurückgenommen wird. Das ist endgültig und keine übereilte Reaktion.

Jetzt bin ich gespannt was ihr dazu schreibt. :)

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04 Mai 2020 13:21 #5247 von Findelkind
Findelkind antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Wahnsinn was für einen Glücksgriff du mit Tira gemacht hast - sie hat dich offensichtlich gesucht und gefunden. Mein altes Mädel (Englisch Setter ist auch so eine). Ich glaube die wenigsten Hunde sind Problemhunde -- sondern eher menschgemachte Problemhunde. Ich komme mit Fini gut klar, bilde mir ein dass sie mich als Alpha betrachtet ;-), wobei wir leider immer noch ein wenig mit der Leinenaggression bei Fremdhunden zu kämpfen habe - bis zu fünf Meter ist es entspannt- aber ich weiss dass es von mir kommt - ich habe es versäumt frühzeitig zu erkennen, dass Fini eigentlich noch mehr Sicherheit und Führung von mir braucht sowie bin ich selbst unsicher bei Begegnungen auch aufgrund der Hörschädigung - soll Hund frei, soll Hund nicht frei, was sagt der. andere Besitzer.. jetzt habe ich ein tobendes 35 kg Bündel an der Leine und mehr wie alle Hände voll zu tun sie zu halten und gar nicht so recht Zeit die Situation zu analysieren bzw. die Führung zu übernehmen. Wobei man sagen muss - es ist auch ein Seltenheitsfall dass wir einen Hund begegnen - wohnen auf dem platten Land- üben zu wenig offensichtlich- wenn wir z.B. in der Großstadt sind, wird nur bei den ersten paar Hunden gegiftet und dann werden sämtliche Begegnungen souverän gemeistert.. Wir haben es mit Trainer trainiert, da war sie der besterzogene Hund überhaupt -- so dass sämtliche andere Personen von "Problemhunden" mich fragten, was wir in dem Leinenaggressions-Kurs eigentlich wollen? :-o-- aber ich bin entspannt (mit Trainer im Hinterhand) und für Fini gehört in Trainingssituationen Hunde dazu..

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