Wie ich an eine "Problemhündin" kam

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27 Apr 2020 18:23 #5229 von Martin
Martin erstellte das Thema Wie ich an eine "Problemhündin" kam
So kam ich im Januar an so eine Hündin, Tira eine 3,5 Jahre junge Maremmendame.
Wie es der Zufall wollte hatte wir Besuch von einem Züchter, dem wir vor knapp einem Jahr einen Welpen abgekauft hatten und bei ihm saß Tira in einer Box im Auto da der Besitzer nicht mehr mit ihr klar kam. Auch er fand keinen Zugang mehr zu ihr und da ich neugierig war schaute ich mir die Hündin an. Sie drohte bereits aus der Box heraus und machte einen sehr gestressten und unzufriedenen Eindruck, was man so durch die Tür der Box erkennen konnte.

Egal dachte ich und rief 2 zu dem Zeitpunkt 20 Wochen alte Welpen zu mir. Sie schauten zur Box und Tira darin wurde etwas ruhiger. Maremme Nr. 3 schaute sich die Sache mit ein wenig Abstand an und ich wusste er würde sofort zur Hilfe kommen. Box auf und meine Hand etwas 50 cm davor zur Begrüßung hingehalten dabei ist es wichtig keinen Blickkontakt aufzunehmen bis der HSH sich bewegt und die Hand als freundlich annimmt. Das dauerte vielleicht 2-3 Minuten und das Eis war gebrochen. Sie kam verunsichert aus der Box und drohte (nicht näher kommen) da stellte sich einer der Welpen zwischen uns und drohte zurück. Ein eigentlich ein putziger Anblick, aber auch gefährlich für den Kleinen. Nr. 3 kam von hinten einige Meter näher und ich dachte erst gleich geht es rund. Pustekuchen Tira setze sich und sah mir in die Augen und ich konnte sie berühren.
Sie spürte sofort, dass ich ihr nichts will und lies sich kraulen.
Danach war klar der Hund braucht ein neues Zuhause, aber kann ich das mit 2 kleinen Kindern riskieren? Was hat der Züchter mit dem Hund vor? Was hat der Besitzer falsch gemacht? Kann ich das reparieren? Sie zeigt mir gegenüber ein friedliches Verhalten und schien sehr aufgeweckt, auch den 3 Hunden gegenüber war sie aufgeschlossen.

Der Hund sollte zurück zum Besitzer, da auch der Züchter mit Tira nicht klar kam. Kann man nichts machen und sie tat mir da bereits leid.

Am Abend rief der Züchter an wenn ich Tira haben möchte soll ich mich morgen um 9 Uhr beim Besitzer melden und ihn danach zügig abholen. Umsonst! Geschenkt!

Meine Frau hatte bedenken, aber ich war bereits entschlossen und am anderen Morgen stimmte auch sie zu. Angerufen und danach ging es los. Nur 30 km und Sohnemann 6 wollte unbedingt mit. Als wir dort angekommen sind blieb Söhnchen im Auto und sollte dort auch bleiben.

Was ich dann erlebt habe muss für Tira ein graus gewesen sein. Sie war in einem Zwinger von vielleicht 6 m² eingesperrt.
Als sie den Besitzer sah flippte sie aus und war sehr aggressiv. Ich bat ihn mich mit ihr alleine zu lassen damit ich sie beruhigen und zum Auto bringen kann.
Wiederwillig ging er darauf und Tira beruhigte sich sofort. Ich machte die Tür auf und hatte eine brave Hündin, die sich das mitgebrachte Halsband und die Leine anlegen lies.
Auf zum Auto nur leider vorbei an dem Typen und da hatte ich alle Mühe die Leine zu halten. Am Auto angekommen stieg Sohnemann trotz Verbot aus, aber Tira blieb friedlich und stieg ohne Murren in die Box im Auto.

Bei Interesse schreibe ich gerne wie es weiter ging.

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27 Apr 2020 19:07 #5230 von Sylvia
Sylvia antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Aber natürlich wollen wir wissen, wie es weiter geht ;)
Wo ich aber jetzt schon schmunzeln mußte: auf irgendeine Art ähneln sich all unsere Geschichten, man kommt zum Hund wie die berühmte Jungfrau zum Kind, wenn`s passt, dann passt`s eben .
Gespannte Grüße
Sylvia

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28 Apr 2020 16:27 #5231 von Martin
Martin antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Ja, Silvia es war nicht geplant wie bei den Hunden davor, aber so ist das Leben. Bei den beiden Welpen sollte es auch nur einer werden. Nur wenn man Frau und Kinder mitnimmt hat Mann wenig Chancen hart zu bleiben. ;)

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28 Apr 2020 18:37 #5232 von Martin
Martin antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Ich berichte Mal weiter.

Zu Hause angekommen wurden wir wie immer von den Hunden begrüßt und Tira durfte angeleint aus der Box. Nach einer kurzen Vorstellung der restlichen Familie und dem im Haus lebenden Teil der Hunde was reibungslos ablief bin ich mit ihr hinters Haus in den Garten zu den anderen Hunden. Die nicht im Haus sondern draußen in einem großen Blockhaus mit einem Auslauf von ca. 2000 m² für tagsüber leben. Nachts herrschen sie über das ganze Grundstück und auch die Hunde im Haus können durch 2 Schleusen jederzeit raus oder rein. Geht über die Chips – ohne Genehmigung bleibt die Schleuse zu.

Tira lief dabei wie es sein sollte an der Leine neben mir ohne daran zu ziehen – 1A. Die anderen Hunde beäugten sie erst misstrauisch dann ging unsere Maremmendame Luna auf sie zu und die anderen folgten ihr nach einander. Also Leine ab.

Geplant war Tira beim Rudel draußen zu lassen und sie so an alles zu gewöhnen. Den Lerneffekt und Einfluss des Rudels habe ich schätzen gelernt und es gibt keine bessere Schule für Hunde.
Da jeder Hund seinen eigenen Fressnapf haben muss bekam Tira natürlich auch einen und darin ein wenig Trockenfutter was sie sofort gierig verschlang als wenn sie tagelang nichts bekommen hätte. In ihrem Zwinger vorher war der Napf aber voll gewesen. Na gut sie mag das Futter und ich gab ihr einen Nachschlag, den sie wieder wie ausgehungert verschlang. Danach ging sie trinken. Da HSH beim trinken sehr eigen sind und aus einem Wassernapf meistens nur einmal trinken und dann ist das Wasser für sie nicht mehr gut haben wir einen alten Steintrog im Auslauf. Dort läuft über eine kleine Pumpe ständig Wasser rein sodass der Trog überläuft und in einer in der Erde verbuddelten Wanne aufgefangen wird. Ein Kreislauf, den die Hunde als ständig frisches/laufendes Wasser ansehen – wird natürlich in Abständen gewechselt.

Gut fressen und saufen tut sie und ich wollte sie für ein paar Stunden dort lassen. Daraus wurde nichts, denn als ich zum Tor ging wich sie mir nicht mehr von der Seite und zeigte ganz eindeutig ich will mit.

Ich habe sie dann mit ins Haus genommen, ohne Leine und sie folgte mir wie ein Schatten. Im Haus war meine Frau nicht erbaut davon, wegen der Kinder und ehe wir uns versahen lag unsere Tochter (4) halb auf Tira drauf und sie kuschelten als wenn es nie anders war. :) Dabei lies Tira mich aber nie aus den Augen und der Abstand war kaum mehr als 3 m. Ich konnte nirgends hingehen ohne ihre Begleitung. Zum Mittagessen lag sie neben meinen Stuhl, im Garten überall kam sie mit.

Zur Kaffeezeit geben unsere Kinder den Hunden meistens ein Leckerli, aber Tira nahm nichts, Erst als ich es ihr hinhielt nahm sie es. Auch bei der Fütterung am Abend musste ich ihr was in den Napf tun und erst dann legte sie los – immer noch tierisch schlingend. Das muss sich ändern und wird nicht leicht.

Am Abend unternahm ich dann einen Versuch sie bei den Hunden draußen zu lassen, denn ich wollte den noch unbekannten Hund mit eventuellen Macken nicht im Haus lassen. Keine Chance, sie zeigte mir sofort „Ich will bei dir bleiben. Nicht weggehen!“
Sie bekam dann eine Decke, die ich vor unsere Schlafzimmertür auf den Flur legte und ihr anwies das ist dein Schlafplatz. 3 andere Maremmen liegen auch auf dem Flur z.T. vor den Zimmern der Kinder und einer am Anfang des Flures in der Nähe unseres Schlafzimmers. Tira legte sich auf die Decke und so habe ich sie am anderen Morgen vorgefunden. :)

Bis dahin war alles Problemlos und mehr als einfach mit ihr. Nur ihre Anhänglichkeit hatte ich vollkommen unterschätzt.

Wie beurteilt ihr Tira bis jetzt?

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28 Apr 2020 21:08 - 28 Apr 2020 21:16 #5233 von Assira
Assira antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Servus Martin;

ich habe sehr aufmerksam Deinen Bericht gelesen und bin dabei wahrscheinlich mit offenem Mund da gesessen. Man sagt mir zwar nach, dass ich ein gutes Händchen für Problemtiere habe (egal ob Hund oder Katz) und das stimmt wahrscheinlich auch. Dennoch bin ich punkto HSH kein Experte. Meine Assira ist ja nur eine halbe :oops:

Auf die Frage, wie ich Tira nach diesem 1.Tag bei Dir einachätze fällt mir ganz spontan ein: Ich sehe sie als "defensiv dominant" mit Potential zur Explosion …. das soll nun heissen, sie hat eindeutig Dich ausgesucht und möchte ihr Leben mit Dir teilen. Alles und alle andere(n) scheint für sie zweitrangig. Sie ist dabei auch sehr selbstbewusst.
Ganz sicher ein perfekter Hund für einen Einzelgänger, ich wäre aber sehr vorsichtig, das Du ja Familie hast. Lässt sie die dann noch an Dich ran? Will sie Dich für sich allein? Erlaubt sie Dir ein Leben "neben" ihr? Ich weiss aus Erfahrung, dass das möglich ist, es ist aber nicht selbstverständlich. Falls solch ein Besitzwille aggressiv durchgesetzt wird, kann das ganz schön ins Auge gehen. Und sie ist ja kein kleines "Wienerle" sondern ein richtiger Hund.

Ich bin sehr gespannt, was Du weiter berichtest und hoffe doch - nachdem Du sie ja jetzt schon ein viertel Jahr hast - dass meine Sorge völlig unbegründet ist, und sie ein wunderbarer Familienhund geworden ist :)

Liebe Grüsse aus dem Seewinkel
Silvia mit Assira (Tornjak-Mix), Anjuschka (Barsoi) & Ashanti (Barsoi) unvergessen

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Letzte Änderung: 28 Apr 2020 21:16 von Assira.

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28 Apr 2020 21:57 - 28 Apr 2020 22:06 #5234 von Ilse
Ilse antwortete auf das Thema: Wie ich an eine "Problemhündin" kam
Hallo Martin, du hast ein Talent zum schreiben und man liest deine Liebe zu den Hunden..
Tira so aus der Ferne einzuschätzen ist nicht einfach und vielleicht liege ich auch total daneben..
So wie sie sich dir gegenüber zeigt muss ja der Halter ein total unfähiger Hundehalter sein. Er hat es nicht verstanden, dass sich unsere Hunde eigentlich nur an eine Vertrauensperson binden wollen.
Warum das so war? Darüber kann man nur spekulieren.

Aber es muss für sie wie eine Befreiung gewesen sein und die Chemie zwischen euch stimmt, so dass sie sich dir sofort angeschlossen hat. Ich denke das wird auch so bleiben, sie ist für immer dein Schatten. Da könnte Silvia recht haben mit ihrer Befürchtung dass sie dich versucht total zu vereinnahmen und abzuschirmen (das kenne ich von meinem Örzö)
Erstaunt hat mich, wie komplikationslos sie sich sofort eingefügt hat und wie die Anderen sie aufgenommen haben. Sie scheint eine sehr gute Sozialisierung zu haben und auch mit Kindern gut zurecht zu kommen. Es ist anzunehmen dass sie das Verhalten von Kindern bereits kennt.

Um so mehr erstaunt mich, dass weder der Halter noch der Züchter mit ihr zurecht kamen. Gab es dafür einen Grund und was hat sie gemacht?

Ich bin schon gespannt wie sie sich weiter entwickelt und ob sie nach einer längeren Eingewöhnungszeit so bleibt, oder hat sie auch eine dunkle Seite welche sie dann offenbart.

L.G.
Ilse mit Komondorchen Lumi und Kuvasz Vacak im Herzen
Letzte Änderung: 28 Apr 2020 22:06 von Ilse.

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